Musik für die Augen -
Die Geschichte des Musikvideos

 

Wikipedia sieht die Anfänge des Musikvideos gar Ende des 19. Jahrhunderts,[1] aber auch wenn bereits die Promotion-Filme der Beatles heute gut in die Kategorie "Long Form Video" passen würden, war noch in den 1970er-Jahren anderes als playback-hinterlegte "Live"-Auftritte in Musiksendungen regionaler TV-Stationen eher die Ausnahme.

Die wahre Geburtsstunde des modernen Musikvideos kam in den 1980er-Jahren mit dem Aufstieg von MTV und der zunehmenden kommerziellen Bedeutung dieser Form der optischen Präsentation von Musik für die Vermarktung von Tonträgern. "Video Killed the Radio Star" von The Buggles war die Kampfansage des allerersten von MTV ausgestrahlten Musikvideos.[2]

Ab 1984 wurden bei den "MTV Video Music Awards"[3] Preise für die besten Musikvideos in verschiedenen Kategorien vergeben und im gleichen Jahr verlieh auch The Recording Academy der amerikanischen Musikindustrie erstmals ihre Grammy Awards[4] für die Arbeiten dieses neuen Genres, welches dadurch sowohl beim möglichen finanziellen Aufwand, als auch in künstlerischer Qualität einen Höhenflug erlebte.

Seither kamen weltweit eine Vielzahl weiterer Preise und Auszeichnungen hinzu, die, wenngleich vermarktungsmäßig nicht ähnlich bedeutend, bezüglich künstlerischem Anspruch die MTV-"Moonmen" sicher in den Schatten stellen. Großartige künstlerische Werke werden jedes Jahr bei den "Berlin Music Video Awards"[5] präsentiert, wo die planmäßige kommerzielle Bedeutung des Musikstücks nicht schon Erfordernis für die Nominierung des Videos ist.

In der Blütezeit von Musikvideo-Sendern in den 1990er-Jahren kamen zahlreiche hervorragende Regisseure wie Michel Gondry, Mark Romanek, Floria Sigismondi oder Jonathan Glazer zu Ruhm, aber abgesehen von Auszeichnungen war es eher unüblich, Regisseure und Regisseurinnen der Videos überhaupt zu nennen. Erst Anfang der 2000er-Jahre gründeten Michel Gondry, Chris Cunningham und Spike Jonze mit dem Directors Label eine Plattform, über die erstmals "The Work of Directors" vermarktet wurde.[6]

Mit der zunehmenden Verbreitung des Internets und der abnehmenden Bedeutung des Fernsehens für die Musikvermarktung schien die Zeit großer Musikvideos vorbei zu sein, aber mit YouTube etablierte sich eine neue Plattform für das Genre. Gleichzeitig sanken nämlich auch die Kosten zur Herstellung technisch hochwertiger Videos und so konnten auch mit relativ geringen finanziellen Mitteln wirkungsvolle Produktionen entstehen.

Gleichzeitig ermutigte ein weiterer Anstieg der Anzahl an Festivals und Preisen viele junge Regisseure zum Versuch, sich mit künstlerisch herausragenden Musikvideos zu profilieren. Ein Beispiel ist der britische Musik- und Werbevideoregisseur Chris Hopewell, der nicht nur mit seinen handgefertigten Puppen in Stop-Motion-Animationsfilmen[7] begeistern kann.

Chris Hopewell

Das Erzählen hintergründiger Geschichten ist seine Spezialität und das kommt nicht bloß bei den Jurys zur Vergabe der großen Awards gut an. Sein Video zu Radiohead's "Burn The Witch" wurde auf YouTube über 33 Millionen Mal gesehen.[8] Schon die erste Zusammenarbeit mit Radiohead für den Song "There, There" im Jahr 2003 gestaltete sich überaus erfolgreich. Das Video erhielt 5 MTV Nominierungen und gewann die Kategorie "Best Art Direction". Außerdem gewann es den Hauptpreis der NME Awards (des britischen Musikmagazins New Musical Express) als "Best Video".

Seither arbeitete er mit den Scissor Sisters, zwei Mal mit Franz Ferdinand, den Editors, The Killers, The Offspring, The Knife und vielen anderen. Besonders hinweisen möchte ich auf die nicht animierten Videos mit der in Mitteleuropa relativ unbekannten britischen Band "The Young Knives".[9]

Mein Lieblingsvideo hat vor wenigen Tagen den Preis als bestes Animationsvideo bei den Berlin Music Video Awards gewonnen und diese Geisterbahnfahrt der besonderen Art sollte sich wirklich niemand entgehen lassen: Run The Jewels - Don't Get Captured.

Grandios ist auch sein teilanimiertes Puppenspiel für Avenged Sevenfold's "The Stage", oder das postapokalytisch dystopische Animationsabenteuer zu Father John Misty's "Things It Would Have Been Helpful To Know Before The Revolution", welches mit dem UK Music Video Award als "Best Rock/Indie Video - International" ausgezeichnet wurde.[10] Mit Father John Misty enstand auch seine jüngste Arbeit "Please Don't Die". Dieses und eine gute Auswahl seiner anderen Videos kann man auf www.secretdoorla.com sehen.

Das war's für diesmal. Kritik und Anregungen nehme ich wie immer gern entgegen.

ernstl x, 12. Juni 2018

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Referenzen:
  1. Wikipedia: Musikvideo
  2. Billboard (engl.): Happy 35th Birthday, MTV: Here's the First Music Video You Ever Played
  3. Wikipedia: MTV Video Music Awards
  4. Wikipedia: Grammy Awards
  5. Berlin Music Video Awards
  6. Palm Store: Directors Label Series
  7. Wikipedia: Stop-Motion
  8. YouTube: Radiohead - Burn The Witch
  9. Vimeo: The Young Knives "The Decision", "She’s Attracted To", "Hot Summer"
  10. Promo News (engl.): UK Music Video Awards 2017: all the winners!

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